Sonntag, 26. August 2012

"May God bless you"

Heimgelände
Morgen bin ich nun schon vier Wochen hier und ich hab mich echt gut eingelebt. Mein Zimmer betrachte ich als „mein“ Zimmer, mein Bett hab ich nun auch schon frisch bezogen, unser Nachtisch quillt bald über und die Wände füllen sich mit Bildern und Gebasteltem von den Kindern.
Seit knapp zwei Wochen teile ich mir mein Zimmer mit Franziska. Sie und Aileen sind meine beiden „german friends“ (so sagen die staff members immer). Wir haben alle drei die gleichen Aufgaben hier, sind immer in verschiedenen Häusern und jeder hat seine eigene Kinder in der study-time. Wir kommen wirklich gut miteinander aus, hocken morgens und abends gemeinsam in der Küche und erfreuen uns an Leckereien, die wir ganz oft von Aunty René geschenkt bekommen (Bananenbrot, Biscuits, Futch etc.). Franzi und ich versuchen uns durch ein paar Runden im Park die Woche fit zu halten und wir freuen uns alle auf den Sommer, wenn wir im Pool schwimmen gehen können.
Zum Thema Sommer kann ich eigentlich nur sagen, dass der südafrikanisch Winter den deutschen Sommer hier jetzt definitiv mit 32 Grad erreicht hat (abgesehen von eurer Hitzewelle da grade). Uns reichts dann eigentlich auch schon von der Wärme her aber ich glaube, wir müssen damit leben, dass die afrikanische Sonne uns noch lange nicht alles gezeigt hat, was sie kann. 

sicherer Transport in Südafrika
Zum Glück haben wir in Aileen auch eine tapfere Spinnenentfernerin gefunden und sie musste schon zum Einsatz kommen. Das war zwei Tage nachdem die beiden angekommen sind und ich war ziemlich froh, dass mir ein Biest in der Größe nicht begegnet ist, als ich allein war (wir haben beschlossen, dass es sich um eine Pavianspinne gehandelt haben muss, die laut Reiseführer erschreckend groß aber ungefährlich sein soll).
Wir mussten auch schon ohne Strom auskommen (was dann beim nächtlichen Gang zur Toilette etwas unangenehm war, weil ich das Bad immer genau abchecke seit dem ich dort meiner besten Freundin Spinne begegnet bin), und so kam es, dass wir dann mit Wasserkocher ins nächste Haus gelaufen sind, um nicht auf Tee und eingeweichte Haferflocken verzichten zu müssen. Tags darauf hatten wir dann zwar wieder Strom, dann aber nur kaltes und später gar kein Wasser mehr. Franzi und ich sind also in das Haus der Highschool Mädels um dort zu duschen. Ihr merkt, wir haben genug Nachbarn, um im Notfall zurecht zu kommen.

Unsere kleinste Mitbewohnerin
An Sarah und Yvodia, bei denen wir im Haus leben, tasten wir uns auch immer mehr ran und kommen mittlerweile sehr gut mit beiden aus. Evodia arbeitet ganztätig, sieben Tage die Woche (für umgerechnet 100 Euro im Monat...), wodurch Sarah immer ihre kleine Enkelin bei ihrer Arbeit dabei hat. Wir haben sie ihr diese Woche öfter mal abgenommen und sind mit ihr in die Stadt gelaufen (man wird sehr komisch angeguckt: zwei Weiße, eindeutig nicht von hier kommend, mit einem kleinen Schokobaby) oder haben sie bei uns gehabt. Die Kleine mag Franzi mittlerweile so sehr, dass sie immer anfängt zu weinen, wenn sie sie sieht und nicht bei ihr bleiben kann.

Laufenlernen in unserer Küche













Auch die Wochenenden gestalten sich zu dritt wesentlich spannender als allein. Letztes Wochenende waren Franzi und ich mit den Highschool Mädchen in einer zweistündig entfernten Gemeinde, die sich ein kleines Entertainment-Programm für die Mädels ausgedacht hatte.
Mädels beim Kuchen auspacken
Alle (auch wir beide) durften einen Kuchen machen: wir hatten vorgebackene Böden, die wir mit Creme eingestrichen und dann verziert haben. Die Mädels haben an Süßigkeiten alles drauf geschmissen, was Platz gefunden hat und haben am Ende kleine Preise für die vier schönsten Kuchen bekommen. Nach dem Kuchen „backen“, wurde den Mädels dann von zwei traditionell gekleideten Zulu-Frauen gezeigt, wie sie mit einfachen Plastikperlen Ketten und Armbänder machen können. Danach wurde noch ausgiebig gegessen (Burger und Pommes) und gemeinsam gesungen und dann gings wieder zurück. Für ungefähr 4,5 Stunden Programm saßen wir insgesamt 4 Stunden im Auto und Franzi und ich dachten uns zunächst, dass sich das ja eigentlich gar nicht lohnt. Aber als wir gesehen haben, wie viel Spaß die Mädels in den paar Stunden hatten und wie sehr sie es genossen haben, gemeinsam etwas außerhalb des Heims zu machen, haben wir unsere Meinung geändert.
 Franziska und ich mit unseren fertigen Prachtexemplaren
(einen haben wir verschenkt, so viel Schoko und Creme
kann kein Mensch essen)
Traditionelle Kleidung und Schmuck
Und auch für uns war es eine tolle Erfahrung, die Mädels mal außerhalb des Heims und der study-time zu erleben und mit ihnen Spaß zu haben. Uns ist besonders aufgefallen, wie besonders es für die Mädchen war, einen eigenen Kuchen nur für sich zu haben. Im Endeffekt hat keiner ein Problem damit, zu Hause seinen Kuchen zu teilen, aber wir haben auch vermutet, dass die Mädchen sich alles an auffindbaren Süßigkeiten auf den Kuchen gepackt haben, weil es für sie einfach sehr sehr selten ist, frei über Leckereien zu verfügen. Wenn die Kinder hier Taschengeld bekommen, werden immer auf dem Gelände von einer Aunty Chips verkauft und man sieht eigentlich kein Kind ohne Chipstüte in der Hand. Mir war also recht schnell klar, dass Süßigkeiten hoch im Rennen stehen. Einmal waren Franzi und ich auf dem Weg zum Computer Raum und hatten uns für den Weg Schokolade mitgenommen, aber nicht daran gedacht, dass uns Kinder über den Weg laufen könnten. Als wir aus der Haustür kamen, kamen also direkt 4 Kleine auf uns zu gelaufen, die scheinbar nur darauf gewartet haben, dass wir mit was Essbarem kommen. Oder gestern wurden Franzi und ich beide nacheinander von einem älteren Mädchen gefragt, ob wir ihr einen Rand geben könnten, damit sie sich was Süßes kaufen könnte. Für uns ist ein Rand eigentlich nicht viel, aber trotzdem können wir nicht anfangen, den Kindern Geld zu schenken. Aber sie hat sichtlich nicht verstanden, dass wir ihr nichts geben wollen und schien echt eingeschnappt. Es ist halt teilweise echt nicht einfach, zu wissen, dass man sich hier quasi alles leisten kann, was die Kinder gerne hätten.

Einer meiner study-Jungs
Diese Woche hatte ich schon ein paar Wechsel bei meinen study-Kindern, weil einer sich nicht benehmen wollte und „ausgetauscht“ wurde. Manche Kinder wollen wirklich extra-study haben und sind immer ganz traurig, wenn man nicht sie in den Häusern abholt, sondern jemand anderes mitgehen darf. Und wenn sich dann jemand nach mehrmaligem Auffordern nicht benimmt, darf jemand anderes für ihn kommen. Außerdem habe ich noch zwei Jungs bekommen, denen ich bei Englisch helfen soll. Beide sind in der vierten Klasse, der eine ist 9, der andere 11. Der 9 Jährige kann lesen, versteht meistens was ich mit ihm rede und bei ihm muss ich noch ein bisschen schauen, was genau ich mit ihm mache. Der andere kann auf Englisch eigentlich so gut wie gar nicht lesen und versteht meistens nicht, was ich von ihm will, außer ich frage „How are you?“ oder „What´s your name?“. Das gestaltet sich dann als etwas schwierig, weil mein Zulu doch nicht so gut ist, ihm was erklären zu können… Da muss dann Stift und Papier oder Zeichensprache herhalten.


Morgens beim Meeting können wir uns manchmal über ein paar stories von den Hausmüttern oder anderen Mitarbeitern erfreuen. So hat uns Aunty Doreen gestern erzählt, dass sie ihren Kleinsten beim Verlassen des Hauses nachrief: „Enjoy your day!“, woraufhin sich einer der 5 jährigen umdrehte, sie anschaute, seine Hand auf sein Herz legte und sagte: „With joy in our heart!“ Die Kleinen sind echt knuffig, auch wenn sie einen schon mal echt auf die Probe stellen können, wenn sie einfach keine Lust haben stillzusitzen, um mir zu sagen, wie viele Finger ich grade in die Luft halte.

"Der Pate"
Ich bin nun in alles Häusern jeweils drei Tag gewesen und fange jetzt wieder im ersten Haus an. Dadurch dass ich den Ablauf jedes Hauses jetzt kenne und auch einen Einblick bekommen habe, wie die Hausmütter jeweils ihr Haus „managen“, komme ich mir auf jeden Fall schon etwas hilfreicher vor, weil ich weniger nur noch daneben stehe und beobachte. Und auch von den Kindern kenne ich immer mehr und kann mir auch mehr und mehr Namen merken, wenn ich sie denn aussprechen kann. Es ist sehr auffällig, wie unterschiedlich die einzelnen Häuser sind und wie viel strenger es in den beiden Häusern zu geht, in denen die Hausmütter afrikaans sind. Dort wird sehr viel Wert auf gemeinsames Essen und Beten gelegt und es wird nur Englisch gesprochen. Die Zulu-Hausmütter sollen mit den Kindern eigentlich auch nur Englisch sprechen, tun das aber bei weitem nicht, was für uns manchmal echt doof ist, weil wir nichts verstehen. In einem Haus wird sogar aus einer ins Zulu übersetzen Bibel vorgelesen und auf Zulu gebetet. Für die Kinder ist das eigentlich absolut nicht von Vorteil, weil sie Englisch lernen müssen. Und so kommt es dann, dass wir ihnen im extra-study Englisch beibringen müssen, weil sie sonst in der Schule nicht mitkommen... In zwei Häusern geht es teilweise echt chaotisch zu, da kommen nicht mal alle zum Essen, essen auf der Couch oder in der Küche im Stehen (liegt aber leider auch teilweise am Platzmangel, weil die Häuser überfüllt sind). So kommt es, dass wir ein paar Favouriten unter den Häusern haben, aber das kann sich auch noch ändern.
Diese Woche war ich auch als aller erste Freiwillige im Highschool Jungs Haus eingeteilt. Eigentlich durchlaufen wir ja alle Häuser, aber aus irgendwelchen Gründen, die mir hier so keiner wirklich erklären kann, wurden die Freiwilligen bisher nicht nach „Gert Nel“ geschickt. Ich war also nun das Versuchskaninchen und lebe noch. Ich muss sagen, ich war gespannt wie es wird und es war anders als in den anderen Häusern. Dreißig 14 bis 20 Jährige Jungs finden es natürlich irre spannend wenn sich ein weibliches Wesen unter Hausmutter-Alter in ihr Haus verirrt. Und dann ist es natürlich auch nicht so ganz einfach einem 20 Jährigen klar zu machen, dass er eine Gleichaltrige „Aunty“ nennen muss (nachdem sie mir vorgeschlagen haben mich „Baby Nora“ oder „Beautiful Nora“ zu nennen, einigten wir uns auf „Sister Nora“). Ein Ring am Ringfinger tut auch immer ganz gute Dienste, weil man definitiv nach seiner Bedeutung gefragt wird und man dann am besten einen Freund vorgibt. Dann gibt’s erst mal großes Trara und ganz viel Traurigkeit aber es wird weiterhin alles versucht. Plötzlich sehen unsere Study Sachen furchtbar schwer aus und sie sind der festen Überzeugung, wir brauchen jetzt jemanden, der uns alles hinterher trägt. Die meisten der Jungs sind aber auch einfach nur nett und hilfsbereit und vielleicht rutscht ihnen nur ab und zu mal ein Zwinkern raus, aber da sollte man einfach nicht zu oft drauf reagieren.
An meinem ersten Abend in „Gert Nel“ war ich den Jungs dort ein bisschen „ausgesetzt“, weil ihre Hausmutter nicht da war und die Ersatzhausmutter sie mal lassen machen hat. Doch an meinem zweiten Abend war Aunty Anna wieder da und es ging alles etwas geregelter zu. So kam es, dass nach dem Essen nicht nur gelesen und gebetet wurde, sondern dass sich Aunty Anna dazu gesetzt hat und dann erst mal eine große Diskussion los ging und scheinbar jeder gleichzeitig reden wollte. Nach und nach haben die Jungs es hinbekommen nacheinander zu sprechen und sind immer aufgestanden, wenn sie geredet haben. Ich habe anfangs nichts verstanden, weil nur in Zulu gesprochen wurde (ich bin fleißig am lernen). Doch dann ist einer der älteren Jungs aufgestanden (er ist in Grade 12, ist also im Dezember fertig) und hat auf Englisch eine kleine Ansprache von ca. 3-5 Minuten gehalten, die mir sehr imponiert hat. Ich versuche euch mal in etwa seine Worte und ihre Meinung wiederzugeben:
„Ich denke, wir sollten alle dankbar sein, hier im Heim sein zu können, weil wir sonst nicht dort in unserem Leben stehen würden, wo wir sind. Ich kann von mir nur sagen, dass ich sonst nicht in Grade 12 wäre und dieses Jahr die Schule beenden würde und ich weiß, dass auch einige von euch gar nicht erst zur Schule gehen würden. Außerdem müssen wir dankbar dafür sein, dass wir jeden Tag essen bekommen, andere Menschen haben nicht mal die Möglichkeit, eine Mahlzeit am Tag zu haben. Wir sollten dankbar sein für die Kleidung, die wir tragen und das warme Wasser, was wir jeden Tag haben. Also nutzt diese Möglichkeit und spielt nicht mit ihr. Arbeitet für die Schule, verbessert euer Benehmen und seid umsichtig. Geht euren eigenen Weg und geht nicht diesen einen Weg, den alle anderen gehen, nur weil ihn alle anderen wählen. Es ist eure Entscheidung, selbst was aus eurem Leben zu machen, und ihr bekommt die Chance dazu. Aber dafür müsst ihr Gott in euer Leben lassen, damit er euch hilft, den richtigen Weg zu gehen.“

Klein Piwo
Wie ihr meinen Erzählungen entnehmen könnt, gehört Beten und das Lesen aus der Bibel hier zum Alltag. Jede Mahlzeit beginnt und endet eigentlich mit einem Gebet, wobei je nach Haus halt die Intensität, verbale Deutlichkeit und auch Sprache variiert. Und auch das Meeting morgens beginnt mit einem religiösen Text, den immer jemand anderes aussuchen muss (auch ich war schon an der Reihe und habe in einem Buch von einer Aunty einen Text über bedachte Worte vorgelesen) und einem Gebet, in dem Gott für den Tag und die Aufgabe, den Kindern helfen zu können, gedankt wird. Gleichzeitig wird gebetet, dass man diese Aufgabe gut macht und alle gesund bleiben. An sich simpel, doch für uns sehr ungewohnt. Beim ersten Mal war ich fast etwas „überrascht“, weil ich es einfach nicht gewohnt bin und mir auch keine großen Gedanken darum gemacht hatte, wie sehr hier Glaube und Religion praktiziert werden würden (ich wusste nur, dass das Heim von der Kirche unterstützt wird). Manchmal frage ich mich schon: „Glauben die das wirklich?“ Neulich hat mir eine Hausmutter zum Beispiel erzählt, dass sie jeden Tag zu Gott betet, er möge sie den Job nicht mehr lange machen lassen müssen, anstatt sich einen neuen zu suchen.
Doch trotzdem empfinde ich das Beten und auch den sonntäglichen Gang zur Kirche als etwas sehr Angenehmes hier. Man merkt, wie viel Struktur es schafft und wie viel Gemeinschaft es den Kindern und auch Mitarbeitern bringt. Als wir zum Beispiel letzte Woche in der Gemeinde waren, haben sich die Mädchen zum Schluss aufgestellt und mit einem Lied Jesu gedankt. Später haben wir dann alle gemeinsam das gleiche Lied auf vier Sprachen gesungen. „Danke Jesus“ auf Zulu, Englisch, Afrikaans und Deutsch. Alle haben mitgemacht und hatten einen heiden Spaß – der Zweck war erfüllt. Und auch das Erlebnis in „Gert Nel“ hat mir sehr imponiert und gezeigt, dass die Kinder etwas brauchen, an das sie glauben können und das sie zusammenhält.


Ich denk an euch und freue mich über Geschichten von zu Hause oder anderen Teilen der Welt :)
Eure Nora

PS.: Zulusprachkurs - Einheit 2: So lernen wir uns kennen
Hallo Sawubona
Wie geht’s dir? Unjani?
Mir geht’s gut Ngiyaphila
Und dir? Wiena unjami?
Mir geht es auch gut Namingiyaphila
Ich heiße Igama lami ngingu
Und du? Elakho ngubani?
Wo kommst du her? Uhlalaphi?
Ich komme aus D Ngihlala eGerman
Tschüss Salakahle (Salakachle, „ch“ wird weich ausgesprochen)

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