Sawubona ihr
Lieben,
die letzten Wochen
war hier viel los – oder auch gar nichts.
Mittlerweile sind wir
sechs Freiwillige, innerhalb von zwei Wochen sind noch Sarah, Anka
und Sina dazugekommen.
Bei mir hat sich unterbewusst ziemlich viel
Unzufriedenheit breitgemacht, irgendwie ist jeder Tag wie der letzte
und der folgende verlaufen. Mir hat die Arbeit hier nicht wirklich
Spaß gemacht und die Motivation, sich zum Lernen mit den Kindern
aufzuraffen, hat immer weiter abgenommen.
Zunächst hab ich
meinen Weg aus der Unzufriedenheit heraus in einem Autokauf gesehen.
Die Aussicht auf komplette Mobilität und freies Reisen an den
Wochenenden hat uns dazu bewegt, uns einen kleinen (leider) schwarzen
Opel Corsa zu kaufen: sein Name ist Hugo und er macht sich gut bei
uns in der eigentlich leeren Garage. Aber da sollte er nicht länger
bleiben.
Vor zwei Wochen
haben Sarah, Franzi und ich uns zu einem Trip nach Potchefstroom
aufgemacht. Dort leben ca. 25 deutsche Freiwillige, die alle über
die gleiche Organisation wie ich nach Südafrika gegangen sind und
von denen ich einige schon mehr oder weniger gut vom
Vorbereitungsseminar kannte.
Wir hatten dort eine echt entspannte
Zeit, hatten tolles Wetter, viele Möglichkeiten zum Aus- und
Weggehen, zum abendlichen Billiard und Kicker zocken. Gleichzeitig
war in der Stadt noch ein afrikaanses Festival, was uns die weiße
Kultur Afrikas noch mal mehr verdeutlicht hat. Um ehrlich zu sein,
bekommen wir von der hier in Greytown eher weniger mit, worüber ich
nicht unbedingt unglücklich bin. In manchen Teilen Potchs hab ich
mich gefühlt wie in Amerika, was mich doch ein bisschen überrascht
hat. Natürlich war mir klar, dass die afrikaanse Kultur (sehr)
westlich ist, und die Mall-Kultur hab ich auch schon kennen gelernt
(Ich bin kein Fan) aber diese Highschool, Sunnyboy, Protz Atmosphäre
hat mich teilweise echt angewidert. Vor allem wenn man mitbekommt,
wie herablassend und nebensächlich teilweise mit den Schwarzen
umgegangen wird. Da muss man sich immer wieder von Augen führen, wer
hier eigentlich zu erst da war...
Wir haben uns jeden Falls viele
schöne mehr oder weniger afrikanische Sachen kaufen können und
jedes Mal wenn ich um 50 Eurocents gefeilscht habe, hatte ich ein
schlechtes Gewissen. Aber das gehört halt auch hier dazu.
Nachdem
ich nun von den ganzen anderen Leuten von ihren Projekten gehört
habe, hat sich bei mir ziemlich große Frustration breit gemacht.
Zwischendurch wollte ich am liebsten in Potch bleiben und einfach
nicht zurück nach Greytown. Natürlich sind auch nicht alle anderen
Projekte perfekt und einige haben auch ihre Probleme, aber was für
mich bei allen gleich klang war: Abwechslung und Herausforderung in
der Arbeit. Beides hatten wir nicht.
Mein größtes Problem war
einfach, dass unsere einzige Aufgabe darin bestand, mit einzelnen
Kindern zu lernen, und das jeden Tag und so keine Zeit hatten auch
mal Spiele mit den Kindern zu spielen oder irgendwelche Aktivitäten
zu machen (außer in den Ferien, aber die sind ja nun mal nicht so
häufig und die können wir gut nutzen, um zu reisen). Und so hatten
wir auch kaum Möglichkeiten eine persönliche Bindung zu den Kiddis
aufzubauen. Wir sind zwar in den verschiedenen Häusern aber immer
nur 1 bis 1.5 Stunden am Tag, weil wir nach dem Abendessen wieder
Study haben. Zwar versteht man sich in der kurzen Zeit immer mit ein
paar Kindern besonders gut aber nach drei Tagen ist man wieder im
nächsten Haus und man sieht die Kinder kaum mehr, vielleicht mal im
Vorbeigehen auf dem Weg zum Study.
Also war unsere
Herausforderung nun, Abwechslung in unsere Arbeit zu bringen. Sarah,
Franzi und ich kamen also nach einer Woche zurück und haben den
anderen erst mal verkündet, dass wir gerne was ändern wollen. Als
nächstes mussten wir mit Pieter reden. Es kam mir schon ein bisschen
komisch vor, ihm vorzuschlagen, einfach mal alles anders zu machen,
aber er hat unsere Vorschläge gut gefunden und so konnten wir zwei
Tage später mit unserem Programm anfangen.
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Mit Hausmutter Isabel und Toddlers bei einem Ausflug |
Nach wie vor machen
wir eine Stunde am Tag Study mit den Toddlers. Aber das sehe ich auch
als echt sinnvoll an, weil die einfach Spaß dran haben, die Zahlen
und Buchstaben zu lernen und mit denen spielen wir ja auch immer mal
wieder Spiele, kneten oder lesen vor. Und man merkt, wie sehr es die
Kleinen genießen, eine „eigene Aunty“ zu haben, die für sie da
ist. Mein kleiner Study-Junge freut sich immer riesig mich zu sehen,
was einem schon das Herz erwärmen kann.
Danach haben wir 1.5
Stunden Activity-Hour, in der wir meistens mit zwei Gruppen Spiele
spielen. Leider musste das bisher wegen schlechtem Wetter in die Hall
verlegt werden, aber normalerweise können wir dann draußen einfach Gruppenspiele spielen. Aber es macht echt Spaß und man merkt auch,
wie sehr die Kiddis da Spaß dran haben und wir bekommen endlich mehr
Bezug zu ihnen. Ab dieser Woche werden Sarah und ich noch zwei Mal
die Woche für eine dreiviertel Stunde Englischunterricht für die
Kinder anbieten, die zusätzliche Hilfe brauchen.
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Badespaß beim Ausflug |
Danach machen
wir auch kein Einzel-study mehr, sondern gehen in die Häuser, um
dort zu helfen. Von 4 Uhr bis 5 Uhr werden nämlich in allen Häusern
nach Grades sortiert mit der jeweiligen Hausmutter Hausaufgaben
gemacht. Wir dachten uns, dass eine Gruppe von 15 Kindern mehr von
uns hat, als zwei aufmüpfige Jungs, die es ein bisschen ausnutzen,
dass sie extra Aufmerksamkeit bekommen. Meine Jungs waren da auch so
ein Spezialfall, aber auch die anderen saßen oft einfach nur neben
ihren zwei Kindern, denen sie helfen sollten, weil die das teilweise
auch gut alleine hinbekommen haben. Jeder von uns hat jetzt ein Haus,
in das er jeden Tag geht und lernt somit auch immer mit der selben
Gruppe von Kindern, was auf jeden Fall guten Bezug herstellt.
Teilweise ist es echt anstrengend, weil die Kiddis ganz oft gar
nichts auf haben und die Hausmutter nicht sooo viel macht. Ich denk
mir dann immer Aufgaben aus, was auch eigentlich echt gut klappt.
Wenn ich sie mir ausdenke, machen sie sie total gerne und wollen
immer mehr, was mich dann in ein kleines organisatorisches Problem
bringt: ausdenken, erklären, korrigieren, noch mal erklären, noch
mal ausdenken, korrigieren...Aber es macht Spaß und die Kiddis
wollen was lernen.
Letzte Woche
war ich mal wieder im Highschool Jungen Haus eingeteilt. Am zweiten
Abend stand plötzlich ein Lehrer von einer Schule bei denen im
Gemeinschaftsraum. Als ich gefragt habe, was der hier macht, hat
Annah, die Hausmutter, mir erklärt, dass er selber im Kinderheim
aufgewachsen ist und dass er mit den Jungs reden wird, weil die
momentan einige Probleme machen. Er hat sich dann vor die Jungs
gestellt, und ihnen fast eine halbe Stunde eine „Moralpredigt“
gehalten. Ich kann mir vorstellen, dass bei ein paar Jungs nichts
davon angekommen ist, weil sie es eben als solche gesehen haben, aber
ich glaube, bei ein paar ist etwas ins Rollen gekommen. Vor allem
ging es darum, dass die Jungs mehr wie eine Familie handeln und sich
gegenseitig und vor allem der Hausmutter gegenüber mehr Respekt
schenken sollen. Auch wurde die Study-Time angesprochen, die die
Jungs wohl überhaupt nicht nutzen. Ich hab mir dann gedacht, dass
wir als Volunteers da eigentlich helfen sollten. Die älteren Jungs
wurden bei unserem ganzen Lern-Hilfe-Programm irgendwie immer
vollkommen außen vor gelassen. Uns wurde anfangs gesagt,
Abends-Study ist nur mit den Highschool Mädels und erst nach
Nachfrage durften auch ein paar Jungs dazu kommen. Aber auch nur 5,
während die Mädels zu 10. auftauchen. Da wir das aber immer im
Wechsel nur zu dritt machen und zwei von uns Abends immer frei haben,
dachte ich mir, frage ich Annah mal, ob sie Hilfe für die Lernzeit
mit den Jungs braucht. Vor allem hab ich an die Matricler gedacht,
also die, die Ende dieses Jahres ihren Abschluss machen. Sie hat mir
sofort einen Jungen genannt, der mit Mathe nicht klar kommt. Also hab
ich mich gemeinsam mit ihm hingesetzt und er braucht echt einiges an
Hilfe und schreibt schon in 3 Wochen seine Abschlussarbeit. Mich
ärgert das total, weil ich schon relativ am Anfang meiner Zeit hier
seinen Namen im Bezug auf spezielle Hilfe gehört habe. Aber René,
die Frau vom Heimleiter, die hier fürs Study zuständig ist, hat
gemeint, sie habe ihm angeboten, nachmittags in den Computer Raum zu
kommen, um dort zu lernen. Sie hat da nachmittags immer eine
Study-Gruppe von 1. und 2. Klässlern und gleichzeitig dürfen immer
noch ca. zehn Kinder an den Computern Spiele spielen. Er hat das wohl
abgelehnt, und deswegen meinte sie, er würde eh nur sagen, er
braucht Hilfe, um extra Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber René hat da
nachmittags absolut gar keine Möglichkeit und Zeit, sich mit ihm
hinzusetzen, um ihm zu helfen. Aber er braucht halt genau jemanden,
der ihm gezielt hilft und mit ihm den Stoff durchgeht und ihm das
alles erklärt. Und er will auch was lernen und sagt selber, er mag
Mathe nicht, aber er ist bereit, jeden Tag so lange wie möglich mit
mir zu lernen. Wir haben bisher jeden Tag jeder ca. sechs Kinder
gehabt, mit denen wir einzeln gelernt haben und teilweise wurde das
von den Kindern ausgenutzt und teilweise gar nicht gebraucht. Pieter
meinte auch zu uns, dass es bei den Kleinen weniger ums Lernen geht,
als darum, dass sich jemand gesondert mit ihnen beschäftigt. Alles
schön und gut. Aber warum wurde mir zunächst verweigert, denjenigen
zu helfen, die in ein paar Wochen die Schule abschließen und die
Hilfe grade am meisten brauchen und sie vor allem dankend annehmen.
Ich hab anfangs schon gefragt, ob wir dem Jungen nicht helfen sollen,
dann meinte sie, nein, er würde das nicht zu schätzen wissen. Ich
hab mich jetzt fast jeden Tag mit ihm getroffen und selbst an einem
Sonntag hatte er kein Problem, drei Stunden zu lernen. Seine
Hausmutter meinte zunächst, sie müsse René fragen, aber ich
glaube, es macht in manchen Fällen Sinn, Eigeninitiative zu zeigen
und einfach mal zu machen, was wir für sinnvoll und nötig halten
und nicht, was die Heimleitung denkt.
Letztlich hab ich jetzt
mehr Arbeit und gebe teilweise meine freie Zeit dafür her. Aber es
macht Spaß und ich hab das Gefühl, dort grade wirklich gebraucht zu
werden und dass meine Hilfe ankommt. Das Gefühl hat mir in den
letzten Wochen hier definitiv gefehlt. Das Projekt baut einfach nicht
auf Freiwillige auf, weil die immer in verschiedener Länge und
Anzahl da sind und wir so nicht in geregelte Abläufe mit eingeplant
werden können. Aber ich bin froh, dass wir einen Weg gefunden haben,
uns in unseren Augen sinnvoll mit einzubringen und dass ich nun auch
das Gefühl gefunden habe, Kontakt zu den Kindern zu haben, auf dem
ich aufbauen kann.
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Bei einem Besuch einer Löwenfarm |
Ein weiterer Punkt,
der mich hier gestört hat, war, dass wir eigentlich überhaupt nicht
aus dem Kinderheim raus kamen. Wir haben hier keine Möglichkeiten
abends irgendwas zu machen, weil es einfach zu gefährlich ist und
wir in die Taverns hier nicht gehen können. Greytown ist einfach
eine Kleinstadt und so beschränkten sich unsere Ausflüge bisher
aufs Einkaufen im Supermarkt und im Drugstore und aufs Laufen gehen
im Park. Im Township waren wir bisher fast nie unterwegs.
Also
hab ich mich entschieden, zwei Mal die Woche vormittags in einer
Schule im Township arbeiten zu wollen. Wir haben vormittags ja immer
frei und hängen hier eh meistens nur herum. Sarah fand die Idee auch
gut und so sind wir letzte Woche mit dem Fahrer des Kinderheims
durchs Township gefahren und haben in verschiedenen Schulen
angefragt, ob sie Hilfe bräuchten.
Wir waren zunächst in zwei
Vorschulen, die mit Unterrichten nichts am Hut zu haben schienen. Die
Kinder saßen alle auf einem Haufen, mit sich selbst beschäftigt,
die „Lehrerinnen“ daneben. In einer der beiden Schulen, waren die
Kinder in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine sich selbst überlassen
in einem kleinen Raum, die andere schlafend in einem anderen Raum;
die Lehrerin hat sich auch eine kleine Schlafpause gegönnt. Ich
glaube, irgendwann werden die beiden Gruppen einfach getauscht, bis
alle nach Hause gehen. Beiden Schulen haben uns zwar angeboten, für
ein Meeting mit den jeweiligen Schulleitern wieder zu kommen, aber
wir hatten nicht das Gefühl, dass sie wirklich für uns etwas zu tun
gehabt hätten, zudem wahrscheinlich niemand Rücksicht auf Englisch
genommen hätte.
Manche mögen denken, das schreit ja nur danach,
dass man da hin geht und versucht, mit den Kindern wirklich was zu
machen, ihnen was beizubringen und sie sinnvoll zu beschäftigen.
Aber wenn solche Hilfe nicht gewollt wird, sollte man das lieber
lassen.
Also sind wir noch zu einer Primary School gefahren, also
eine Schule für Klasse 1 bis 7. Der Schulleiter dort, hat uns direkt
für den nächsten Tag eingeladen: Wir sollten beide in Grade 7
helfen, Sarah im Englisch- und ich im Matheunterricht.
Mein
erster Tag dort lief wirklich gut und mir ist die südafrikanische
Gelassenheit mehr den je verdeutlicht worden. Als ich dann bei dem
mir zugeteilten Lehrer in der ersten Mathestunde war, hab ich
natürlich meine Hilfe angeboten. Die sah dann so aus, dass ich
Aufgaben an die Tafel schreiben und mal kurz alleine bleiben sollte,
er komme gleich wieder. Bis zum Ende der Stunde ist er dann nicht
wieder aufgetaucht und so hab ich meine erste Mathestunde alleine
abgehalten. Das hat sich in der zweiten Stunde dann wiederholt, nur
dass er am Ende der Stunde nicht wieder kam, und ich die Stunde
alleine beendet und die Klasse dem nächsten Lehrer überlassen habe.
Aber es hat alles geklappt, die Kinder haben sich super benommen, sie
finden es glaube ich, ziemlich aufregend, dass eine Weiße sie nun
unterrichtet.
Auf die Schule gehen nur schwarze Kinder und auch
die Lehrer sind schwarz. An sich scheint die Schule gut organisiert
und sie ist einem verhältnismäßig gutem Zustand. Aber wie gesagt,
die Südafrikanische Gelassenheit wird einem direkt deutlich. Mit dem
Beginn und Ende der Stunden wird es nicht so genau genommen.
Eigentlich geht eine Stunde 60 Minuten, aber da werden schnell mal 90
Minuten draus und irgendwie taucht auch nie ein anderer Lehrer auf,
der die Klasse übernehmen will. Grade 7 hat drei Klassen, die nicht
jeweils einen Klassenraum zu haben scheinen. Aber irgendwie scheinen
weder Schüler, noch Lehrer jedes Mal so wirklich zu wissen, in
welchem Klassenraum jetzt welche Klasse welches Fach hat.
Mir
macht es total Spaß dort zu sein und ich genieße die andere Art von
Kontakt zu Kindern sehr. Die Arbeit im Kinderheim macht mit den
Veränderungen nun zwar wesentlich mehr Spaß als zuvor, aber in die
Arbeit in der Schule unterscheidet sich sehr und bringt noch Mal eine
neue Herausforderung. Das unterrichten macht mir echt Spaß und
scheinbar bekomme ich das mit der neuen autoritären Rolle auch ganz
gut hin: nach 1.5 Stunden Mathe wollte eine Klasse letzte Woche gerne
noch weitere 1.5 Stunden von mir alleine unterrichtet werden.
Natürlich ist kein Lehrer aufgetaucht und hat sich gewundert, warum
seine Klasse grade von jemand außer regulär unterrichtet wird...
Salakahle meine
Freunde!!